10. Februar 2025
Sehr geehrter Oberbürgermeister Sören Link,
die Fraktion von DIE LINKE/die PARTEI in der Stadt Duisburg bitten Sie den nachstehenden Antrag auf die Tagesordnung der Sitzung des Rates am 24.02.2025 zu setzen.
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Duisburg stellt fest, dass es für die Einführung einer sogenannten Bezahlkarte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz keine Notwendigkeit gibt und beschließt, in Duisburg keine Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen und die „Opt Out“-Regelung des Landes NRW zu nutzen.
Begründung:
Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) senden nur sieben Prozent der Geflüchteten Geld aus Deutschland ins Ausland. Die Studie zeigt zudem, dass diese Tendenz weiter abnimmt. Die Annahme, dass Geflüchtete, die auf Grundsicherung angewie-sen sind, in großem Umfang Geld ins Ausland schicken, ist daher empirisch nicht belegbar. (Die Studie ist hier abrufbar: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw 01.c.928 629. de/24-49-1.pdf). Die bundesweite Debatte über Geldüberweisungen von Geflüchteten in ihre Heimat, die im vergangenen Jahr dazu führte, dass der Bundestag über eine gesetzliche Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Bezahlkarte als mögliche Form der Leistungserbringung einführte, spiegelt damit nicht die Realität wider.
Darüber hinaus kritisieren Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Kirchen die Bezahlkarte als diskriminierend, integrationshemmend und als unnötige Schikane. Sie argumentieren, dass die Karte geflüchtete Menschen stigmatisiere, sie in ihrer Lebensführung bevormunde, ihre gesellschaftliche Teilhabe erschwere und letztlich auch die Arbeit der in der Integrationsarbeit Tätigen behindere.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte klagt bereits gegen die restriktiv ausgestalteten Bezahlkarten. Dazu gehören rechtswidrige pauschale Bargeldbeschränkungen und Überweisungsverbote. Die Bezahlkarte in ihrer restriktiven Form verletzt den grundrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG für alle Menschen in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Aufenthaltsstatus. Die Bezahlkarte hat auch eine diskriminierende Wirkung und verletzt das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Art. 3 Abs. 1 GG (https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/faq-bezahlkarte#Alltag-mit-Bezahlkarte, abgerufen am 6. Februar 2025).
Des Weiteren würde eine bürokratische Extra-Maßnahme geschaffen, die Geld kostet und zusätzliche Personalressourcen der Verwaltung bindet.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hierzu: „Die bisherigen Bezahlkarten führen statt zur Erleichterung vielmehr zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Regelmäßig müssen technische Fehler bei der Kartenverwendung behoben werden. Die Beschränkungen auf geringe monatliche Bargeldbeträge und Überweisungen sind eine Herausforderung. Anders als bei der Auszahlung eines pauschalierten Geldbetrages muss bei der Bezahlkarte bei jeder Person oder Familie genau geprüft werden, ob sie ihren Bedarf mit der Karte am jeweiligen Wohnort decken kann. Hierbei sind mögliche Kostensteigerungen durch die Behörde zu beachten – zum Beispiel, wenn Medikamente durch das Überweisungsverbot in der Apotheke statt im Internet eingekauft werden. Je nach Einzelfall können Überweisungen, erhöhte Bargeldabhebungen sowie der überregionale Einsatz der Bezahlkarte notwendig sein und brauchen eine behördliche Genehmigung.
Benötigt etwa ein sechsjähriges Kind – wie in einem Verfahren der GFF – 35 Euro in bar für eine Schulveranstaltung, muss die Behörde dies zeitnah ermöglichen. Gerade Personen, die schon lange in Deutschland leben, benötigen zahlreiche Überweisungen: So müssen etwa die Miete, der Internetvertrag, die Stromrechnung, die Hausratversicherung sowie der Sportverein durch Überweisung gezahlt werden. Außerdem muss jeder kostengünstige Onlineeinkauf, etwa von Schulsachen für die Kinder, bewilligt werden. All das führt zu einer kleinteiligen behördlichen Prüfung, um entweder Überweisungen freizugeben oder selbst das die zum Teil monatlich anfallenden Beträge zu überweisen.
Zudem sieht das Gesetz nur für bestimmte Grundleistungen die Bezahlkarte vor. Sonstige Leistungen, die etwa die Gesundheitsvorsorge oder besondere Bedürfnisse von Kindern betreffen, sind extra zu berücksichtigen. Das heißt für die Behörde, dass die Bargeldbeschränkung auf die Karte angepasst oder zusätzlich Geld ausgezahlt werden muss (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG). Dass dies zu einem erheblichen Mehraufwand führt, bestätigte etwa das Amt für Migration in einem Verfahren der GFF vor dem Sozialgericht Hamburg (Aktenzeichen S 7 AY 410/24 ER). Die Behörde erklärte darin, es würde einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten, wenn in jedem Einzelfall der Barbetrag aufgrund der Ausgabe von sonstigen Leistungen neu berechnet werden müsste. Gleiches gilt übrigens, wenn es zu Nachzahlungen kommt, etwa wenn erstmals Leistungen nach mehreren Wochen Bearbeitungszeit ausgezahlt werden: Hier muss die Behörde den Bargeldbetrag für jeden Einzelfall individuell anpassen.
Teilweise ist der Einsatz der Bezahlkarte – so in Sachsen – geografisch beschränkt. Müssen Personen das Gebiet verlassen, sind die Anliegen im Einzelfall zu prüfen und die Beschränkungen für einen bestimmten Zeitraum aufzuheben. Ein GFF-Verfahren mit einer in Chemnitz lebenden Familie macht deutlich, was für ein behördlicher Aufwand damit einhergeht: Ein Elternteil muss zur ärztlichen Behandlung seines elfjährigen Kindes immer wieder mit diesem nach Berlin in eine Klinik reisen. Für jeden Kliniktermin muss die regionale Beschränkung durch die Behörde einzeln und zeitnah aufgehoben werden.“ (ebd.)
In deren FAQ sind alle Informationen bezüglich der Bezahlkarte aufgelistet.
Aus Sicht der antragstellenden Fraktionen sollte aus dieser Vielzahl von Gründen keine Bezahlkarte in Duisburg eingeführt werden.
Für die Fraktion Die Linke/Die PARTEI
Gez. Mirze Edis
Zurückgezogen aufgrund gemeinsamen Antrags mit der Fraktion Bündnis90/Die Grünen in der Folgesitzung am 07.04.2025: Keine Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete in Duisburg (Nutzung der Opt-Out-Regelung) (DS 25-0461)