Hintergrund und Folgen der sogenannten Taskforce Problemimmobilie

27. Mai 2025

Barbara Laakmann

Den Fragen ist folgender Text als Hintergrund vorangestellt:


Die Einsätze der sogenannten „Taskforce Problemimmobilie“ greifen tief in das Grundrecht auf Wohnen (Art. 11 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz) ein. Genauso wird das in der Wohnung befindliche Eigentum für die Menschen unzugänglich, was Artikel 1 des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Die Betroffenen werden in Obdachlosigkeit oder in Sammelunterkünfte bzw. zu Angehörigen ver- bzw. gedrängt (Verletzung von Art. 7 EU Grundrechte Charta).


Staatliche Eingriffe in Wohnraum setzen daher eine gesetzliche Grundlage, den Nachweis einer konkreten Gefahr und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit voraus. Art. 14 Grundgesetz betont zudem die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Das Wohnraumstärkungsgesetz NRW, die Landesbauordnung NRW sowie das Ordnungsbehördengesetz NRW erlauben Eingriffe nur unter engen Voraussetzungen. Nach Art. 41 EU Grundrechte Charta besteht außerdem ein Recht auf gute Verwaltung, was Transparenz, Begründung und Zugang zu Rechtsmitteln umfasst.


Sofortige Räumungen von Wohnraum sind rechtlich sehr heikel, weil Art. 13 GG die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert und staatliche Eingriffe in das Wohnrecht einer konkreten Ermächtigungsgrundlage bedürfen und grundsätzlich dem Richtervorbehalt unterstehen. Bei gemeiner Gefahr oder Lebensgefahr ist zwar ein sofortiges Einschreiten möglich, doch bleibt der Grundrechtsschutz bestehen. An das tatsächliche und rechtliche Vorliegen einer solchen Gefahr sind wegen des Ausnahmecharakters hohe Anforderungen zu stellen; der Eingriff muss so schonend wie möglich ausgestaltet werden und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt uneingeschränkt. Angesichts der augenscheinlich beständig hohen Zahl der durchgeführten Räumungen, der betroffenen Personengruppen und des Umgangs der Ämter mit den Grundrechtsbetroffenen bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit vieler Maßnahmen.


Vor diesem Hintergrund bitten wir die Verwaltung um die zeitnahe Beantwortung der folgenden Fragen:


1. Wie lautet der offizielle Auftrag der sogenannten „Taskforce Problemimmobilie“? Nur mit transparentem Auftrag lassen sich Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten sowie Erfolg im Sinne des Artikels 41 der Europäischen Grundrechte-Charta kontrollieren und rechtlich bewerten.
2. Welche dienst- und fachaufsichtsrechtlichen Strukturen bestehen? Die Kontrolle der Verwaltung im Sinne des Rechtsstaatsprinzips nach Artikel 20 Grundgesetz fordert klare Zuständigkeiten.
3. Wie ist die personelle Zusammensetzung der Taskforce? Welche Ämter und Behörden sind und waren mit welchem Personaleinsatz je Woche und Monat mittelbar und unmittelbar mit den Aufgaben der Taskforce befasst? Bitte inklusive der sozialen Infrastruktur.
4. Welche rechtlichen Grundlagen werden für die Maßnahmen der Taskforce jeweils konkret herangezogen?
5. Welche Zeitspannen liegen zwischen Bekanntwerden eines Objekts und der Begehung durch die Taskforce? Wer erteilt auf welcher rechtlichen Grundlage die Anordnung/den Befehl zur sofortigen Räumung des Objekts?
6. Welche Zwangsmittel dürfen nach welchen rechtlichen Grundlagen eingesetzt werden? Wie häufig wurden diese genutzt?
7. Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Immobilien? Stimmt es, dass Hinweise von Eigentümer*innen, Nachbarn oder anderen Personen zur Auswahl führen?
8. Erfolgt eine dokumentierte Gefahreneinschätzung durch Sachverständige? Stimmt es, dass regelmäßig keine unabhängigen Gutachten vorliegen?
9. Wie häufig wurden externe Gutachten angefordert? Wie wird Abhängigkeitsverhältnissen von Gutachter*innen vorgebeugt?
10. Welche konkreten Gefahren werden wie häufig angeführt?
11. Wie und inwiefern wird die Behebbarkeit der Mängel berücksichtigt? Bspw. durch sofort durchführbare Reparaturen, zeitweises Absperren von Teilen der Elektrizität o. Ä.? Werden Überwachungs- und Schutzmaßnahmen wie Stellung von Brandwachen o. Ä. berücksichtigt?
12. Welche Voraussetzungen und Bedingungen gelten für die Aufhebung der Nutzungsuntersagung? Welche gesetzlichen Grundlagen werden hierfür herangezogen?
13. Bei wie vielen Objekten wurde seit Bestehen der Taskforce eine Wiedernutzung ermöglicht? Wie viele Objekte wurden abgerissen? Wie viele Objekte stehen seit wie viel Zeit leer?
14. Wie wird die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sichergestellt?
15. Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt mit Begründung und Rechtsmittelbelehrung erteilt? Wie häufig erfolgen die zugrundeliegenden Verwaltungsakte mündlich, ohne Begründung und/oder ohne Rechtsbehelfserklärung sowie ohne Dokumentation (jeweils aufgeschlüsselt bitte)? Wie wird etwaigen Sprachbarrieren begegnet?
16. Welche Aufklärung über Hilfsangebote und Rechtsmittel besteht? Wie niedrigschwellig ist diese?
17. Inwiefern bekommen die betroffenen Menschen, ihr in den Wohnungen zurückbleibendes Eigentum zurück?
18. Wie häufig hatten Einsätzen der Taskforce und der damit einhergehenden Gefahrenabschätzung mildere Mittel zur Folge? Inwiefern sind die Begehungen ergebnisoffen? Wie wird dies sichergestellt?
19. Wie viele Menschen wurden faktisch obdachlos bzw. wohnungslos durch die Maßnahmen der Taskforce? Wie viele Kinder, Schwangere, und Menschen mit Behinderungen waren darunter? Wie viele wurden in Unterkünften untergebracht? Inwiefern sind diese Unterkünfte vergleichbar mit den geräumten Wohnungen (insbesondere bzgl. Privatsphäre und QM-Anzahl sowie Angebundenheit an ÖPNV sowie Nähe zu Schulen, Nahversorgern)?
20. Inwiefern und in wie vielen Fällen müssen Betroffene von den Räumungen faktisch die Kosten für die Kosten der Räumung und/oder den Ersatzwohnraum tragen?
21. Wie wirken sich eine Räumung und der damit einhergehende Verlust der Meldeadresse auf den Bezug von Sozialleistungen aus? Wie viele Leistungskürzungen erfolgten in dieser Folge seit Bestehen der Taskforce? Stimmt es, dass Betroffene unmittelbar durch den Wegfall der Adresse Leistungen verlieren?
22. Wie werden Mieter*innen zu welchen Zeitpunkten über die drohenden Maßnahmen der Wohnungsräumungen und die Gefahrsituationen in ihren Wohnungen informiert?
23. Welche Sprachmittlungsangebote bestehen? Stimmt es, dass keine Sprachmittlung in der Sprache Romanes/Romani angeboten wird? Falls ja: Warum?
24. Informieren Stadtwerke und Wasserwerke Mieter*innen über drohende und eintretende Sperrungen?
25. Inwiefern werden bei konkreten Räumungen Foto- und/oder Videoverbote durch wen ausgesprochen? Für wen gelten diese? Auf welchen rechtlichen Grundlagen beruhen diese?
26. Welche Mittel und in welcher Höhe fließen in die Öffentlichkeitsarbeit zur Bewerbung der sog. Taskforce?
27. Welche Präventionsmaßnahmen werden von der Stadt Duisburg zur Vermeidung von Wohnungsräumungen ergriffen? Wie hoch sind die Mittel, die für Präventionsmaßnahmen ausgegeben werden?
28. Wie viele betroffene Menschen stammen aus Südosteuropa? Welche Maßnahmen gegen Diskriminierung werden ergriffen?
29. Welche Auswirkungen haben die Räumungen auf Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe der Betroffenen (insbesondere Kinder, behinderte Menschen, Frauen)?
30. Wie werden Vermietungen unbewohnbarer Wohnungen verhindert? Wie häufig wurden Vermietungen nur nach Mängelbeseitigung erlaubt?
31. Was für Informationen liegen zur Beteiligung von belegt organisierten kriminellen Strukturen im Besitz, Betrieb und in der Vermietung von Problemimmobilien vor? Was wurde und was wird unternommen, um das Vorhandensein und Operieren solcher Strukturen zu identifizieren, zu verhindern und im weiteren Verlauf sicherzustellen?
32. Welche Erkenntnisse gibt es zu den mutmaßlich kriminellen Profiteur*innen von Vermietungen der sog. Problemimmobilien? Welche Straftatbestände werden von ihnen mutmaßlich begangen? Gibt es Lücken im Straftaten-Katalog, sodass Verhaltensweisen nicht wirksam verfolgt werden können? In wie vielen Fällen wurden staatsanwaltliche Verfahren gegen Vermieter*innen eingeleitet?
33. Welche Definition wird für den Begriff der „gemeinen Gefahr“, der „Lebensgefahr“ bzw. der „akuten Brandgefahr“ oder der von der Taskforce genutzten Begriffe zugrunde? Wie werden die tatsächlichen Voraussetzungen dokumentiert und festgestellt?
34. Wie verträgt es sich, dass die Einschätzungen der Taskforce bzgl. der Gefahr (siehe Frage 33) Häuser betreffen, die sich teilweise Jahrzehnte in ählichen baulichen Zuständen befanden, ohne dass es zum Brand oder anderen entsprechenden Gefahren gekommen ist?
35. Welche Mängel führen konkret zur Feststellung, dass die Gefahr nach Definition von Frage 33 vorliegt? Gibt es eine Art Punktesystem o. Ä.?
36. Was wird getan, um die geräumten Objekte wieder nutzbar zu machen? Unter welchen Voraussetzungen wird die Nutzungsuntersagung wieder aufgehoben? Müssen dafür alle Mängel beseitigt sein oder nur diejenigen, die die Gefahr nach Definition von Frage 33 und 34 erzeugen? Welche Modalitäten gelten für den Zugang zu den Häusern, die aufgrund der Nutzungsuntersagung versiegelt wurden? Wie haben Eigentümer*innen bzw. Vermieter*innen und/oder von ihnen beauftragte Handwerker*innen die Möglichkeit die Mängel zu beseitigen?
37. Inwiefern haben von Räumungen betroffene Menschen die Möglichkeit sich beim Wohnungsamt als dringend wohnungssuchend zu melden? Halten die großen Wohnungsunternehmen in Duisburg insbesondere städtische Vermietungs- und Wohnbaugesellschaften Ersatzwohnungen für Betroffene bereit? Falls nein: Warum nicht? Wird beabsichtigt einen Wohnungspool einzurichten, der freie Wohnungen für Betroffene ad hoc bereit hält und zur Verfügung stellt?


gez. Barbara Laakmann

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