04. September 2018
Der Ausschuss möge beschließen:
Das Duisburger Jobcenter bzw. die städtischen Vertreter der Trägerversammlung des Duisburger Jobcenters und das Duisburger Sozialamt werden bezüglich der Übernahme der
Kosten der Unterkunft (KdU) gemäß Sozialgesetzbücher (SGB) II und XII bis zur Vorlage eines den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) genügenden „schlüssigen Konzepts“ angewiesen:
1. die Grundmieten der Betroffenen bis zur Höhe des jeweiligen Mitteilwerts des Duisburger Mietspiegels 2017 zu übernehmen; der jeweilige Mittelwert ergibt sich aus der Anzahl der
Personen, der Baufertigkeit des Hauses und der Wohnlage (siehe Tabelle im Anhang mit Vergleich zu den derzeit übernommenen nicht ausreichenden Mieten).
2. die kalten Betriebskosten in angemessener Höhe zu übernehmen (die Beweispflicht für eine Unangemessenheit der tatsächlichen Betriebskosten liegt beim Jobcenter).
3. die Heizkosten in angemessener Höhe zu übernehmen (die Beweispflicht für eine Unangemessenheit der tatsächlichen Heizkosten liegt beim Jobcenter).
Begründung:
Mit der auf der Mietwerterhebung 2013 basierenden Mietwerterhebung 2017 der Firma „Analyse & Konzepte“ können keine angemessenen KdU im Sinne des § 22 I SGB II und der Rechtsprechung des BSG
(siehe vor allem „Duisburger Entscheidung“ vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R) nachgewiesen werden. Der laut BSG erforderliche Nachweis, dass jeder Berechtigte in Duisburg mit den in diesem Konzept
errechneten Referenzmieten konkret eine Wohnung finden kann, wurde aus (mindestens) folgenden Gründen nicht erbracht, sondern stattdessen die Referenzmieten mit Hilfe gravierender statistischer
Mängel und Fehler in der Summe erheblich nach unten gerechnet:
• gemäß Rn 25/32 der „Duisburger Entscheidung“ des BSG sind für ein schlüssiges Konzept vorrangig der Mietspiegel und die dafür hinterlegte
Dokumentation heran zu ziehen, zumal sie gemäß Rn 24 ausreichend valide und repräsentativ sind. Die Mietwerterhebung nimmt aber darauf keine Rücksicht.
• Angebotsseite (Wohnungen):
◦ Die in den Rn 18 und 25 des BSG geforderte Überprüfbarkeit der Ergebnisse wird ignoriert. Es werden nur zusammengefasste Ergebnisse von Auswertungen dargestellt, aber keine
Angaben über die Anzahl der Wohnungen mit ihren jeweiligen Mieten.
◦ Die vom BSG angemahnte Definition eines „einfachen Wohnungsstandards“ fehlt. Stattdessen wird ein andere Faktoren (z.B. Wohnungslage, Lärm) komplett ausschließender einseitiger
Zusammenhang zwischen Wohnungsstandard und Preis pro m² unterstellt. Anschließend wird der gegebene Preis pro m² als Ursache für den Wohnungsstandard herangezogen, obwohl ein schlüssiges Konzept
genau umgekehrt dazu dienen soll, mit Hilfe eines zuerst definierten Wohnungsstandards anschließend einen vom Jobcenter bzw. Sozialamt zu übernehmenden Preis pro m² überhaupt erst ermitteln
soll.
◦ In das Konzept sind überdurchschnittlich viele (90%) Wohnungen großer Wohnungsgesellschaften und nur wenige (10%) Wohnungen kleinerer Vermieter eingeflossen.
◦ In das Konzept sind vermutlich überdurchschnittlich viele (43%) Wohnungen für mindestens 3-Personen-Haushalte und zu wenige (57%) Wohnungen für 1-2-Personen-Haushalte
eingeflossen.
◦ Die Daten des Jobcenters können wegen des Sozialdatenschutzes (§§ 53 ff SGB II) keine konkreten Wohnungen beinhalten und sind daher nicht valide.
◦ Bereits vor der dazu eigentlich dienenden Ermittlung des prozentualen Anteils günstiger (gemeint ist der Preis pro m²) Wohnungen an allen Duisburger Mietwohnungen werden Wohnungen
im „gehobenen Segment“ aussortiert. Laut BSG-Urteil vom 16.05.2015 B 4 'AS 45/14 R V ist das aber unzulässig.
◦ Bei der Berechnung der vom Jobcenter bzw. dem Sozialamt zu übernehmenden Miete pro m²:
▪ werden Wohnungen unter 35 m² (die im Durchschnitt eine höhere Miete pro m² haben) nicht berücksichtigt, obwohl selbstverständlich auch sie von einkommensschwachen Mietern
nachgefragt werden.
▪ wird eine „Extremwertkappung“ von „Ausreißern“ nach oben und unten angewendet, die natürlich aufgrund des höheren Spielraums nach oben hin den Durchschnitt der verbliebenen Werte
senkt; Daten über diese „Ausreißer“ fehlen.
◦ Bei den kalten Betriebskosten wurden in der Mietwerterhebung 2013 (die darauf basierende dem ASG-Ausschuss vorliegende Mietwerterhebung 2017 gibt keine schlüssige Auskunft
darüber):
▪ nicht alle monatlichen Vorauszahlungsbeträge übernommen, obwohl das BSG dies mit Verweis auf § 556 I BGB i.V.m. § 2 der Betriebskosten-Verordnung verlangt; außerdem wird hier der
vom BSG abgelehnte Median (statt des Durchschnitts) angesetzt.
▪ die Jahres-Abrechnungen (Nachzahlungen) nicht berücksichtigt.
◦ Heizkosten werden nicht ermittelt.
• Nachfrageseite (Interessenten an preiswertem Wohnraum):
◦ Der Anteil von Menschen mit geringem Einkommen in Duisburg wird extrem zu niedrig angesetzt (76.572); insbesondere die Zahl von nur 20.390 „Geringverdienern ohne
Leistungsbezug“ (also außerhalb von Hartz4-Betroffenen, Wohngeldempfängern, Sozialhilfeempfängern und Asylbewerbern) ist unglaubwürdig, zumal sie noch unterhalb der 24.550 aus der Mietwerterhebung
2013 liegt, die sich wiederum aus dem „Bundesdurchschnitt nach BBSR-Forschungsprojekt ´Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte´“ ergibt. Dagegen ist völlig klar, dass auch der Anteil der
„Geringverdiener ohne Leistungsbezug“ in Duisburg viel höher als im Bundesdurchschnitt liegen muss. Insgesamt gehen Schätzungen davon aus, dass bis zu 70% der Duisburger Mieter auf preiswerten
Wohnraum angewiesen sind, während das Konzept nur auf 30% kommt.
◦ In einigen Spalten der „Nachfrageanalyse“ wurde trotz der ohnehin schon extrem niedrig angesetzten Zahl der Nachfrager nach preiswertem Wohnraum auch noch deren Anteil am gesamten
Wohnraum mit dem Dreisatz falsch berechnet: so sind es z.B. bei den 2-Personen-Haushalten 21% statt den angegebenen 17%.
• der Abgleich von Angebot und Nachfrage mit Hilfe des „iterativen Verfahrens“ entspricht nicht den vom BSG geforderten „mathematisch-statistischen
Grundsätzen“:
◦ Als den Betroffenen zustehender Prozentanteil günstiger Mietwohnungen an allen Duisburger Mietwohnungen (Angebotsseite) wird der Prozentanteil von Haushalten mit geringem
Einkommen an allen Duisburger Miet-Haushalten (Nachfrageseite) übernommen; dieses Verfahren geht von einer statischen Gleichheit Duisburger Mietwohnungen mit Duisburger Miet-Haushalten aus und kann
daher Zuzüge, Wegzüge, Wohnungsleerstände, Obdachlosigkeit und andere Verzerrungen nicht (ausreichend) berücksichtigen.
◦ Die Ausführung des „iterativen Verfahrens“ wird nicht näher erläutert.
◦ Das BSG verlangt den Ausweis von Wohnungsangeboten konkreter Wohnungen nach der Logik: Einwohnerzahl → davon Haushalte in günstigen Wohnungen → davon Fluktuation (Umzüge) (→ evtl.
davon statistisch erfassbar) → Nachweis entsprechender Wohnungen zur Ermittlung des
m²-Preises
◦ und nicht wie hier:
Einwohnerzahl → Nachfragehaushalte/Bestandsmieten → davon Prozentanteil Haushalte mit geringem Einkommen → Prozentanteil günstige Wohnungen an den Bestandsmieten
→ Anwendung der Prozentanteile zur Bestimmung des m²-Preises („Perzentil“)
gez. Carmen Hornung-Jahn
Beratungsergebnis
Der Antrag wurde in einen Prüfantrag an die Verwaltung umgewandelt.
Dieser geänderte Antrag wurde einstimmig beschlossen.
Der stellv. Vorsitzende Ratsherr Keime – CDU –
teilte mit, dass er den Antragstellern vor Beginn der Sitzung vorgeschlagen habe, den Antrag in einen Prüfantrag an die Verwaltung umzuwandeln.
Herr Hertz – Die Linke. –
begründete den vorliegenden Antrag. Die Kosten der Unterkunft seien immer wieder Anlass zu Klagen vor den Sozialgerichten. Die Duisburger Mieten liegen,
auch unter Berücksichtigung des Duisburger Mietspiegels, zum Teil weit über den vom jobcenter anerkannten Mieten. Dieses habe zur Folge, dass die Betroffenen aus ihren Regelsätzen Anteile der
Mietkosten bestreiten müssen. Das
könne so nicht sein, da der Regelsatz kaum zur Bestreitung des Lebensunterhal
tes ausreichen würde.
Hier versuche die Firma „Analyse und Konzepte“ mit einem Gefälligkeitsgutachten die vom jobcenter anerkannten Mietkosten nach unten zu drücken. In diesem Zusammenhang verwies er auf ein aktuelles
Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15.06.2018. Das Sozialgericht habe das von der Firma „Analyse und Konzepte“
erstellte Gutachten verworfen und daher hätte der Bremer Stadtrat hiervon Abstand genommen. Deshalb bat er, im Rahmen des möglichen Prüfantrages auch das Urteil des Bremer Sozialgerichts
einzubeziehen.
Der stellv. Vorsitzende Ratsherr Keime – CDU –
äußerte, dass er aufgrund des geschilderten Sachverhaltes es für besser hielte, den Antrag in einen Prüfauftrag an die Verwaltung umzuwandeln. Diesem Vorschlag wurde seitens des Antragstellers
zugestimmt, so dass der Vorsitzende
über den geänderten Antrag abstimmen ließ.
Antwort der Verwaltung:
Betreff
Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE. vom 04.09.2018;
Prüfauftrag zu den Kosten der Unterkunft
Inhalt der Mitteilung:
Laut Sozialgesetzbuch Zweites und Zwölftes Buch (SGB II und XII) sind die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft bis zur Höhe der Angemessenheit
anzuerkennen. Eine Definition der Angemessenheit gibt der Gesetzgeber dazu nicht vor. Der kommunale Leistungsträger hat vielmehr nach Maßgabe des Bundessozialgerichtes (BSG) die Festlegung der
Angemessenheitsgrenzen schlüssig zu belegen und die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen.
Für die Stadt Duisburg wurde ein externes Unternehmen mit der Erstellung eines
„schlüssigen Konzeptes“ beauftragt. Das Duisburger Konzept orientiert sich dabei eng an dem vom BSG entwickelten Anforderungs- und Prüfungsschema für schlüssige Konzepte. Als Datenbasis dient u.
a.
eine umfangreiche Erhebung der Bestandsmi
eten (zuletzt 2017),
eine Analyse der relevanten Nachfragergruppe und
eine Auswertung des tatsächlich verfügbaren Mietwohnungsangebotes (keine
Beschränkung auf einfachen Wohnstandard).
Sowohl das erste Konzept aus dem Jahr 2013 und seine Indexfortschreibung,
als auch das aktuelle Konzept aus 2017 waren bereits Gegenstand diverser Klageverfahren vor den Sozialgerichten.
Der Sozialgerichtsbarkeit obliegt es somit, die Schlüssigkeit des Konzeptes
zu beurteilen.
Negative Gerichtsentscheidungen zum Duisburger Konzept liegen bislang nicht vor. In folgenden Gerichtsentscheidungen bzw. durch Richterbrief wurde das Duisburger
Konzept als schlüssig anerkannt:
SG Duisburg AZ S 48 SO 528/12
SG Duisburg AZ S 52 SO 492/17
SG Duisburg AZ S 52 SO 711/16
SG Duisburg AZ S 55 AS 3521/16 (noch nicht rechtskräftig)
SG Duisburg AZ S 35 AS 3939/13 (noch nicht rechtskräftig)
SG Duisburg AZ S 52 SO 5/14 (noch nicht rechtskräftig)
SG Duisburg AZ S 6 AS 2157/14 (noch nicht rechtskräftig)
SG Braunschweig AZ S 41 AS 424/17 ER
LSG NRW AZ L 19 AS 1145/17 (Richterbrief vom 27.9.2017)
Eine höchstrichterliche Entscheidung (BSG) ist bislang noch nicht gefallen und auf
absehbare Zeit auch nicht zu erwarten.
Zum jetzigen Zeitpunkt besteht keine Veranlassung anzunehmen, dass das Duisburger Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für die Kosten der Unterkunft nicht schlüssig ist.
Das Amt für Soziales und Wohnen wird weiterhin die lauf
ende Rechtsprechung der Sozialgerichte beobachten und die Ergebnisse in die Weiterentwicklung der Folgekonzepte und Aktualisierungen einfließen lassen.
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